Cover Parnass 3/2022

Zenita Komad
The General Purpose of the Universe

Inhaltsintensive Zeichnungen, fantasievolle, teils technische Objekte, Assemblagen aus Fotografien, aus Malerei und aus diversen Versatzstücken des Alltagslebens tragen Botschaften in sich, mittels derer die Künstlerin Zenita Komad die Welt ein Stückchen besser machen will.

Text: Clarissa Mayer-Heinisch, Silvie Aigner
Fotos: Johannes Puch

Wer von Völkermarkt in Richtung Bad Eisenkappl unterwegs ist, passiert malerische Wiesen, idyllische Raine und sattgrüne Wälder, die sich durch die hügelige Kärntner Landschaft schlängeln. Schon bald gelangt man nach Rückersdorf. Ein kleiner Ort, dessen Zentrum aus nicht viel mehr als Kirche und Feuerwehrgebäude besteht. Durch Zufälle und, wie sie sagt, durch groBes Glück hat es Zenita Komad nach vier turbulenten Jahren in Israel hierher verschlagen. „Wir sind vom Himmel gefallen", meint sie, „aber wir sind gut gefallen“.

Ein jahrhundertealter Stall wurde nach einer Idee des befreundeten Architekten Carl Pruscha zu einem hellen und offenen Atelier umgebaut. Es liegt in unmittelbarer Nachbarschaft zum Wohnhaus, wo sie mit ihrem Ehemann, dem aus Israel stammenden Landschaftsarchitekten Amir Katz, und ihren beiden Kindern ein neues Zuhause gefunden hat. Nach einer Auszeit, die ganz ihren Kindern gehörte, ist nun auch wieder Raum und Zeit für ihre künstlerische Arbeit. Unter dem Begriff „Zenita Universe“ setzt sich die Künstlerin mit gesellschaftlichen Problemen und sozialen Prozessen auseinander. Spirituelle Themen, die Reflexion gesellschaftlicher Entwicklungen und Rahmenbedingungen, soziale Anliegen und die zwischenmenschlichen Beziehungen per se sowie vor allem das Thema Bildung prägen die Fragestellungen, die sie in ihren prägnanten Objektbildern formuliert. Humanität, in der alle Seiten ge hört werden, so der formulierte Wunschtraum in einer ihrer jüngsten Arbeiten mit dem Titel, The General Purpose of the Universe": Um nichts Geringeres geht es Zenita Komad in ihrer Kunst.

Das Atelier ist umgeben von Obstbäumen, gleich beim Eingang steht ein knorriger Apfel- baum. Die Natur ist ein Kraftort für die Künstlerin. Erst jetzt sei ihr bewusst geworden, wie groß ihre Sehnsucht nach der Luft und dem Duft der Landschaft war, danach, wieder in der Natur zu sein, in den Wald zu gehen, mit den Kindern Äste und Blätter zu sammeln, einen „Schatz“ zu suchen. „Als ich jung war, wollte ich nur hinein ins urbane Leben, das hat sich jetzt geändert“, so Komad. In ihren Werken fließt die Natur als Motiv nicht ein, sie spricht in ihrer Arbeit nicht über die vegetative, wohl aber über die menschliche Natur.

Im Atelier zu sehen ist die aktuelle Werkgruppe der „Ballerinas“. Eine politische Arbeit, wie sie betont. Die von Askulapnattern und Oktopussen umschlungenen Ballerinas stellen ein Gefühl dar. Sie versuchen Haltung zu bewahren trotz einer Bedrohung von außen und formulieren den Wunsch nach Heilung und Liebe – eine Metapher, die aktueller nicht sein könnte. Doch, wie ein weiteres Werk von Zenita Komad formuliert, die Kreativität beschützt uns vor dem Abgrund. „Creativity protects you: Dem Negativen etwas Positives entgegenzusetzen, darin sehe ich meine Aufgabe“. Ihre Objektbilder haben eine herausfordernde Qualität. Sie sind direkt und bedingungslos, sie formulieren die Dramatik einer gesellschaftlichen Endzeitstimmung mit spielerischer Leichtigkeit und formaler Rafinesse. 1980 in Klagenfurt geboren, studierte die Künstlerin Bühnenbild und Grafik an der Universität für angewandte Kunst und Mixed Media an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Die Zeichnungen, die skulpturalen Objekte, die Inszenierungen und raumgreifenden Installationen zeugen von Zenita Komads Anliegen, die materielle Welt mit spirituellen Erkenntnis sen zu verbinden. Wobei Spiritualität für sie nicht das Traditonell-Religiöse meint. Vielmehr sieht sie das Göttliche, Spirituelle vor allem in der „Verbindung zwischen den Menschen“ Ihre Papier- und Objektarbeiten haben stets et- was von einer Assemblage, in der sie verschiedene Techniken und Materialien kombiniert.

Der Kunsttheoritiker Peter Gorsen bezeichnet ihr Werk als „Bricolages, die im Zeichen eines ebenso persönlichen (selbstreferentiellen) wie welthaltigen Lebensentwurfs entstehen“.
Zenita Komad gibt uns eine Reihe von Gedankenschleifen mit auf den Weg, versucht uns wachzurütteln und gleichzeitig mit ihrer Kunst zu ermächtigen. Weil sie zunehmenden Egoismus beobachtet, Pessimismus, Dunkelheit, Lebenslügen und Ausweglosigkeit, lautet ihre Aufforderung: „So kann es nicht weitergehen“. Sie bezeichnet ihre Kunst auch als „Momente der Korrektur, als Rezepte und Anleitung zum Glücklichsein“. „Kunst ist ein Werkzeug, um Themen zu benennen, sie appeliert an die Kraft des freien Willens und hat eine wichtige Stimme. Sie schafft Raum für Transformation. Insofern haben wir als Künstler auch eine Verantwortung“, ist sie überzeugt. Es gehe darum, eine Haltung zu haben, Empathie und soziale Kompetenz zu zeigen. „Denn“, so Zenita Komad, „es ist nicht unsere Aufgabe, in den Himmel zu kommen, sondern den Himmel auf Erden zu erbauen - und das geht nur miteinander“.